"Sie machen Möbelstücken Beine"
Von Jutta Failing
Firmenlauf Beim J. P. Morgan starten am 12. Juni fünf Damen der Restaurierungswerkstatt Naumburg mit ungewöhnlichem Kopfschmuck
Frankfurter Schrank, Rokoko-Kommode und Sofa - selbst gebaute Miniaturmöbel krönen für das Team der Bockenheimer Restaurierungswerkstatt von Barbara Naumburg buchstäblich die Teilnahme am 27. J.P. Morgan-Firmenlauf am 12. Juni. Denn mit dem originellen Kopfschmuck wollen die fünf Frauen auf der 5,6 Kilometer langen Strecke optisch punkten.
Frankfurt. Rosenholz, Schellack und Leim aus Rinderhäuten. An der Wand erinnert ein Schildkrötenpanzer, wie aus solchen einst Schildpatt gewonnen wurde. Ein bisschen fühlt man sich in der Werkstatt in alte Zeiten versetzt, was nicht erstaunlich ist, schließlich werden hier mit teils historischen Werkzeug, Techniken und Kniffen, die sich schon vor Jahrhunderten bewährten, Möbelstücke und Holzobjekte restauriert, darunter Kostbarkeiten und Rarität von kunsthistorischer und privater Bedeutung.
Schon zum dritten Mal nimmt das Werkstattteam am Lauf durch die Innenstadt teil, doch diesmal will es das 25-jährige Betriebsbestehen zum Anlass nehmen, Reklame der etwas anderen Art zu machen. Gestartet wird mit silbernen Schärpen und Kopfschmuck.
"Minis" zum Jubiläum
Kein leichtes Unterfangen für die Läuferinnen, denn jedes "Mini-Möbel" sitzt wie schwebend auf einem Drahtgestell, das unter einer Stoffkappe verborgen ist. Ein schaumstoffähnlicher Werkstoff macht das Möbel leicht und damit "lauftauglich". Tagelang hat Barbara Naumburg, Chefin und Seele der Werkstatt, daran gebastelt und liebevoll selbst kleinste Details wie "Dackelfüße" und Vergoldung unberücksichtigt. Allein beim "Frankfurter Schrank", musste ein Trick her, viel zu aufwändig wäre es, die besondere Strukturelemente eines barocken Originals nachzubilden.
"Dessen Front ist daher ein Foto" verrät die Tischlermeisterin und erklärt: "Um beim Original das Furnier quer über die Wellen zu bekommen, muss es erst gekocht und dann mit heißen Sandsäcken in Form gepresst werden. Bei Konservierung und Restaurierung arbeiten wir mit dieser traditionellen Technik." Gern erinnert sie sich an den wertvollen Frankfurter Schrank aus dem Besitz der Familie Goethe, der in ihre Werkstatt kam.
Altes braucht Patina
Wenn Barbara Naumburg über ihre Arbeit redet, kommt die große Liebe zu historischen Möbeln zum Ausdruck. An alles, was ihre Werkstatt verließ, denkt sie voller Erzählfreude zurück, viele "gerettete" Stücke befanden sich darunter-Möbel, an denen der Zahn der Zeit nagt hat oder solche, die vor Jahrzehnten unsachgemäß restauriert worden waren.
Streng ist ihr Grundsatz: "Nach einer Restaurierung darf ein Möbel nicht wie neu aussehen. Sondern wie etwas, das immer gepflegt wurde und über die Zeit Patina bekommen hat. Wenn ich andernorts höhere `in neuem Glanz erstrahlt`, kriege ich die Krise." Museen vertrauen der Expertin und ihren Gesellinnen kostbarste Stücke an, einmal übernahm man die Restaurierungsarbeiten an zwei Möbeln von Abraham und David Roentgen für das New Yorker Museum of Modern Art - millionenteure Objekte, die enorme Verantwortung bedeuten.
Die gebürtige Darmstädterin begann als Ein-Frau-Betrieb im idyllischen Bockenheimer Hinterhof -nach einer Tischlerlehre in der alten Möbelstadt Kelkheim, Kunstgeschichtsstudium in Mainz und Meisterschule. Ihre Kenntnisse gibt sie als Dozentin für junge Restauratoren an namhaften Instituten weiter."Früher war ich die einzige Frau unter Männern, anfangs war es nicht leicht" erklärt sie." Dass wir unserer Werkstatt meist nur Frauen beschäftigen und ausbilden, hat sich aber einfach so ergeben."
Alte Möbel erzählen Geschichten, manchmal auch pikante. In "vergessenen" Geheimfächern entdeckten Barbara Naumburg und ihr Team schon so einiges, was einstige Besitzer lieber unter Verschluss hielten - "pornographisches Material etwa oder einmal sogar Sachen aus der NS-Zeit". Schade findet Sie, dass Antiquitäten "in den letzten 15 Jahren einen unglaublichen Wertverlust erlitten haben."
Sie kennt die Gründe: "Im Moment gibt es viele Erben. Und junge Leute möchten Einzelteile, aber keine kompletten Einrichtungen aus Biedermeier oder Barock mehr, oft fehlt auch der Platz oder man zieht häufig um." Apropos Erbstück. Steht jemand ratlos vor dem zerlegten Keil-Schrank der Urgroßeltern, hilft die Werkstatt beim Zusammensetzen und der Pflege.
Vor allem Spaß
Wenn am 12. Juni der Startschuss für die wieder weit als 60.000 Teilnehmer fällt, setzt sich auch das kleine "Möbelensemble" in Bewegung. Im eigenen Tempo, "mit dieser Kopfbedeckung läuft man keine Spitzenzeiten. Wir wollen vor allem Spaß haben", lacht Barbara Naumburg.
Nur eines dürfte nicht passieren: "stark Regen oder Sturm wäre nicht so günstig, vor allem Wasser verträgt das Material nicht, obgleich es sicher fest an fühlt." Wer kurzentschlossen . W.P. Morgan-Lauf teilnehmen möchte, vielleicht ähnlich gut "behütet", kann sein Firmenteam noch bis 6. Mai anmelden.