„Mit Lupe und Mikroskop auf Spurensuche‟

FAZ Sonntag, | Bernd Günther

Frankfurter Tischlermeisterin restauriert Antiquitäten


Ein handelsübliches Einrichtungsstück aus Holz, das beschädigt wurde, kann meist ein Schreiner ohne viel Aufhebens reparieren. Möbelstücke, die in aufwendiger Technik und aus erlesenen Hölzern gefertigt wurden, die zudem einige hundert Jahre alt sind und deswegen über eine entsprechende Patina verfügen, erfordern aber gesonderte Kenntnisse und Fähigkeiten. Davon ist zumindest die Tischlermeisterin Barbara Naumburg überzeugt, die in Frankfurt eine Restaurierungswerkstatt für Möbel und Holzobjekte betreibt. Neben dem einfachen Ausbessern von schadhaften Stellen sei auch die richtige epochale Einordnung des Möbels entscheidend. Denn daraus lassen sich wichtige Rückschlüsse auf Technik, Bauart und Materialien ziehen – letztlich die Basis für eine stilechte Restaurierung.
 
Abgebrochene Stuhlbeine oder Lehnen, gesplitterte Türen, geplatzte Furniere oder Schimmel- und Schädlingsbefall – die zu behandelnden Fälle sind ebenso zahlreich wie unterschiedlich. Den Schaden kann die Reparatur nicht ungeschehen machen. Einem geschulten Auge bleibt er gewiß nicht verborgen. Ein Restaurator muß also ein Ersatzteil „möglichst harmonisch“ einfügen.„Deswegen ist die Verwendung von den richteigen Zutaten wichtig“, sagt Naumburg.
 
Anfangs steht oftmals eine detektivische Arbeit. Die Sorten der für das Möbelstück verwendeten Materialien müssen so exakt wie möglich herausgefunden werden. Dazu zählen neben dem Holz auch die Leime, Harze, Wachse, Lacke und sogar Metalle. Allein bei den Leimen ist Naumburg zufolge unter einer Vielzahl verschiedener sirupartiger Flüssigkeiten zu wählen. Diese seien beispielsweise aus Knochen, Haut, Leder oder Fisch gewonnen worden. Nach einer Erwärmung im Wasserbad könnten sie auch heute noch verarbeitet werden.
 
Die Schwierigkeit ist jedoch, das passende Holz zu finden. Sorte, Maserung, Farbe, Bleiche und andere Eigenschaften sollen mit dem Original übereinstimmen. Angesichts natürlicher Vorkommen von Hunderten verschiedener Hölzern kein leichtes Unterfangen. Auch wenn sich die Zahl der am häufigsten für Möbel verarbeiteten Baumarten auf rund 50 reduziert.
 
Das Bestimmen alter Hölzer grenzt an eine Wissenschaft. Die Restauratorin greift deshalb notfalls zum Mikroskop, um in der Vergrößerung eine Holzprobe zweifelsfrei bestimmen zu können. Das entscheidende Merkmal, was unter der Lupe sichtbar werde, seien die Poren, die anhand ihrer Größe und Anordnung auf der Holzoberfläche eine Unterscheidung ermöglichten. Nur so gelinge es kleinteilige Intarsien durch das richtige Holz zu ergänzen und damit in ihrer Gesamtheit wieder erstrahlen zu lassen.
 
Die Notwendigkeit, jeweils über das richtige Holz verfügen zu können, bestimmt denn auch das Bild einer Restauratorenwerkstatt. Fichte alt, Mahagoni, Buche, Palisander, Esche, Goldregen – in bis zur Decke reichenden Wandregalen reihen sich die beschrifteten Kisten mit Holzstücken aneinander. Die Bezugsquellen und Lieferanten werden wie ein Betriebsgeheimnis behandelt.
 
Ist das passende Holz gefunden, kann die eigentliche Arbeit beginne. Mit einem nur daumengroßen Hobel fährt die Restauratorin über das in einer Kommode aus dem Jahre 1750 eingelassene Band aus Mooreiche. Ohne die daran angesetzten Nussbaum-Hölzer zu verletzen, kann sie mit dem Miniaturgerät die lediglich einen Zentimeter breite Mooreichen-Oberfläche hobeln. Dabei benutzt Naumburg neben modernen Spezialgeräten auch altes Werkzeug und wendet überlieferte Techniken an. Falls es ein Werkstück erfordert, lässt sich die Frankfurter Restauratorin auch von Handwerkern wie Schnitzern oder Drechslern zuarbeiten. Und beim Ergänzen wichtiger Teile wie Scharniere, Schlösser, Ringe, Griffe und Beschläge können zudem darauf spezialisierte Hersteller oder Lieferanten weiterhelfen.
 
Die Dauer einer Restaurierung läßt sich nicht nach der Art der Arbeit pauschal bemessen. Für eine Barock-Kommode, an der drei Schübe erneuert, die Marketerie der Oberplatte ergänzt und die Rückwand ausgetauscht werden mußten, benötigte Naumburg mehr als 70 Arbeitsstunden. Abgerechnet wird nach Stunden, die Materialien schlagen gesondert zu Buche. Zu den Kunden zählen überwiegend Privatleute. Doch auch Museen vergeben Aufträge.
 
Für antik, wertvoll und erhaltenswert wird vieles befunden. Wenn die Restaurierungskosten nicht im Verhältnis zum Marktwert eines Möbels stehen, lässt sich immer noch der individuelle Liebhaberwert anführen. Zuweilen wird es auch mit ungeahnten Entdeckungen gelohnt, wie etwa bei einem Aufsatzsekretär, bei dessen Restaurierung sich Naumburg zufolge ein bisher nicht bekanntes Geheimfach, eingelassen in die Schreibplatte, offenbarte.

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