„Möbel mit Charakter brauchen Pflege‟

ddp, | Eva Dignös

Sie haben oft mehr als 100 Jahre auf dem Buckel, und das darf man ihnen auch ansehen. Ihre Patina macht alte Möbel interessant und unverwechselbar. Bei alten Schränken, Tischen und Kommoden geht es deshalb bei der Pflege nicht darum, sie „wie neu“ aussehen zu lassen, sondern ihren Charakter zu bewahren und Schäden vorzubeugen. Und dafür braucht man meist nicht mehr als ein Staubtuch.

Wichtigstes „Pflegemittel“ für alte Möbel ist ein guter Standort in der Wohnung. Denn das Holz braucht gleichmäßige Temperaturen und ausreichend Luftfeuchtigkeit. „18 bis 20 Grad Raumtemperatur und eine relative Luftfeuchtigkeit von 50 bis 60 Prozent sind optimal“, sagt Restauratorin Barbara Naumburg aus Frankfurt am Main. In den meisten Wohnungen sei die Luft zu trocken. Die Folge: Das Holz zieht sich zusammen, Risse entstehen, Ecken brechen ab. „Um bis zu zehn Prozent kann ein Möbelstück bei schlechten Luftverhältnissen in der Breite schrumpfen“, verdeutlicht Naumburg. Und das gelte für jahrhundertealte Stücke genauso wie für neue Möbel: „Holz hört nie auf zu arbeiten“, sagt die Restauratorin, die auch angehende Kollegen schult und für Laien Kurse bei der Denkmalakademie der Deutschen Stiftung Denkmalschutz gibt.

Sie rät Besitzern alter Möbel deshalb zu einem Thermohygrometer, mit dem sich Temperatur und Luftfeuchtigkeit permanent kontrollieren lassen: „Man bekommt es schon für 20 bis 30 Euro.“ Ist die Luft zu trocken, müsse man mit Pflanzen oder Luftbefeuchtern nachbessern.

Ein zu feuchtes Wohnklima tut den Möbeln allerdings auch nicht gut. „Stehen sie an einer Außenwand, kann sich an der Rückwand leicht Schimmel bilden“, warnt Naumburg. Ungünstig ist außerdem ein Platz direkt an der Heizung oder in der vollen Sonne.

Für die tägliche Pflege genügen das Staubtuch oder ein „nebelfeuchtes“ Mikrofasertuch. „Es dürfen auf keinen Fall Wassertropfen auf dem Holz bleiben“, sagt Naumburg. Tabu sind Möbelpolituren oder Reinigungsmittel: Sie können die Holzoberfläche so sehr schädigen, dass selbst der Fachmann nichts mehr tun kann. Eine dünne Schutzschicht gegen Alltagsbelastungen lässt sich mit Antikwachs herstellen, das es in unterschiedlichen Farbtönen gibt. Es wird hauchdünn aufgetragen und anschließend poliert.

Schädlinge im Holz treten nach Angaben der Expertin nur noch selten auf. Kleine Löcher deuteten meist nur darauf hin, dass der Holzwurm dort früher einmal zu Hause war. Erst wenn bei einem Möbelstück, das nicht berührt oder bewegt wurde, Holzmehl aus den Löchern riesele, hat man vermutlich unerwünschte Haustiere. „Man sollte erst gar nicht versuchen, sie selbst zu beseitigen, sondern einen Schädlingsbekämpfer beauftragen“, sagt Naumburg.

Nur weil ein Möbelstück alt ist, muss es nicht schlechter funktionieren als ein neues Stück. Schließen die Schranktüren nicht mehr oder sind die Schubladen schwergängig, lässt sich das meist mit wenig Aufwand reparieren. Man sollte es auch deshalb richten lassen, weil aus kleinen Macken schnell ein großer Schaden werden kann: „Wenn man immer mit aller Kraft an der Schublade ziehen muss, reißt schnell mal ein Beschlag ab“, sagt Naumburg.

Einen guten Restaurator erkenne man unter anderem daran, dass er mit den Materialien der jeweiligen Zeit arbeite: „Ein Biedermeiermöbel sollte nur mit Knochenleim geleimt werden“, verdeutlicht Naumburg. Auch beim Holz ist Originaltreue Pflicht. Für Ausbesserungsarbeiten an einem Sekretär aus Pflaumenholz dürfe wiederum nur Pflaumenholz verwendet werden. Gänzlich verzichten die Profis mittlerweile darauf, die Oberfläche abzuschleifen. Stattdessen reinigt man mit Lösungsmitteln, die genau auf das Holz und den Zustand des Möbelstücks abgestimmt sein müssen. Und die das bewahren, was den Reiz eines alten Möbels ausmacht: die Patina seines langen Lebens. „Nichts ist schlimmer“, sagt Barbara Naumburg, „als ein altes Möbel, das nach der Restaurierung aussieht ,wie neu‘.“

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