„Der Charakter der Möbel‟

FR, | Sebastian Amaral-Anders

Die Restauratorin Barbara Naumburg fühlt sich in ihrer Werkstatt wie geerdet. Geplant war das nicht mit dem reinen Frauenbetrieb. Und dennoch ist Barbara Naumburg stolz, sehr stolz, auf die drei Gesellinnen, deren Fotos an der Wand neben ihrem Schreibtisch hängen. Die alle mit ausgezeichneten Noten ihre Tischler-Ausbildung abgeschlossen haben. Wie Naumburg selbst, die Klassenbeste war, damals, vor fast 29 Jahren. Die sich aber in einem reinen Männerbetrieb durchschlagen musste.

„War ‚ne harte Schule damals‘, sagt sie und blickt durchs Fenster auf den Hinterhof in Bockenheim, wo sie 1994 ihre Restaurierungswerkstatt für Möbel einrichtete. Die Geschichte der Stücke zu bewahren, sieht sie als ihre wichtigste Aufgabe. Bei ihr gibt es diese harte Schule nicht mehr, weil keine dieser „rauen Haudegen“ zugegen sind, die ihr als junge Frau mit derben Sprüchen die Ausbildung schwer zu machen suchten. „Trotzdem bin ich sehr dankbar, dass ich in meinem Ausbildungsbetrieb diese Chance bekommen habe“, sagt die 50-Jährige.

Heute, wo sie ihren eigenen Betrieb hat, gibt Naumburg anderen jungen Menschen diese Chance. Dass es bislang nur junge Frauen waren, die in der perfekt sortierten Werkstatt gelernt haben, antike Möbel zu restaurieren, liegt laut Naumburg ausschließlich an der Qualifikation. Dabei kommt es ihr vor allem auf die handwerklichen Fähigkeiten an. Als „handwerkliche Restauratorin“ sieht sich Naumburg denn auch. Ganz anders als die Wissenschaftler, für die antike Möbel Kunstgegenstände sind. „Für mich sind Möbel eindeutig Gebrauchsgegenstände.“

Auch der reichlich mitgenommene knapp zwei Meter hohe Stand-Sekretär aus Mahagoni, der gerade inmitten ihrer Werkstatt steht und auf seine Restaurierung wartet. Der mit den vergoldeten Bronzen am Fuß der Alabaster-Säulen, den Perlmutt-Mustern und dem Geheimfach hinter der verspiegelten Rotunde in einem herrschaftlichen Haus gestanden haben muss, da ist sich Naumburg sicher.

Diese Geschichte der Möbel bei ihrer Arbeit zu bewahren, ist Naumburgs größtes Anliegen. Restaurierungen, bei denen die Möbelstücke am Ende so aussehen wie neu, sind ihr daher ein Graus. Es geht ihr um den Charakter. Und der würde „durch eine Überrestaurierung verdorben“. Als das Museum für Angewandte Kunst sie vor kurzem fragte, ob sie eine Führung durch die Ausstellung der Möbelkunst von André-Charles Boulle im Museum für Angewandte Kunst machen würde, hat Naumburg erst mal gezögert.

Obwohl sie in ihrem Kunstgeschichte-Studium und vielen Jahren als Dozentin in der Tischler-Ausbildung ein breites Wissen in Stilkunde angeeignet hat. Am Ende lief die Führung unter dem Titel „Möbelkunst aus handwerklicher Sicht“. Und Naumburg war ganz in ihrem Element. Wenn Naumburg dann nach ein paar Arbeitstagen im Museum oder am Schreibtisch in ihrem schlicht eingerichteten Büro wieder in die Werkstatt kommt, fühlt sie sich geerdet. Umgeben von jahrhunderte alten Gebrauchsgegenständen und ihren jungen
Mitarbeiterinnen. „Es dürfte aber auch gerne mal ein Mitarbeiter dazukommen.“

 

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